10. Stadt Wernigerode
Wernigerode verfügt über sehr viele Obstbäume auf kommunalen Flächen, nicht wenige davon im Siedlungsbereich. Einige wurden über das Projekt „Baumpatenschaften“ gepflanzt. Dieses Projekt wurde in Vorbereitung der Landesgartenschau in 2004 ins Leben gerufen. Inzwischen wurden über 800 Bäume gepflanzt, darunter viele historische Obstsorten. Einige wurden als Streuobstwiesen angelegt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere z.T. alte Obstwiesenflächen. Streuobstwiesen gehören in Europa mit ihrer Arten- und Sortenvielfalt zu den Lebensräumen mit der höchsten biologischen Vielfalt. Streuobstwiesen gelten zwar als wesentlicher landschaftsprägender Bestandteil[1], die Bewirtschaftung durch Private oder Vereine hat aber im Harz keine so große Tradition wie etwa im Süden und Südwesten Deutschlands. Da eine landwirtschaftliche Intensivnutzung von Streuobstwiesen nicht möglich ist, ist ihr Bestand stark zurückgegangen. Die verbliebenen Flächen sind heute Rückzugsgebiet für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten und ein prägendes Element der Kulturlandschaft. Vor allem für Insekten haben sie eine große Bedeutung, da sowohl der Unterwuchs (Blühwiesen) als auch Obstbaumblüte und die Früchte eine wichtige Nahrungsquelle darstellen, wie Studien auf Streuobstwiesen in Sachsen-Anhalt (Schuboth/Krummhaar 2019; Saure 2016) gezeigt haben. Auf den Flächen werden außerdem alte, regionaltypische Obstsorten erhalten. In SachsenAnhalt zählen Streuobstwiesen zu den gesetzlich geschützten Biotopen (NatSchG LSA, § 22).
Insofern ist es umso wichtiger verbliebene Altbestände dieser wertvollen Biotope zu sichern und um Neuanpflanzungen zu ergänzen. Voraussetzung für den Erhalt ist eine fachgerechte Pflege. Darüber hinaus bieten sie viele Möglichkeiten der Regionalvermarktung und Umweltbildung. Regionale Produkte wie Apfelsaft, Marmeladen u.a. erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.
Die Aufrechterhaltung dieser naturschutzfachlich sehr wertvollen Flächen stellt die Stadtverwaltung vor große Herausforderungen. Aufgrund der Bäume gestaltet sich das Mähen mit gängigen Mähgeräten schwierig. Viele Flächen sind überaltert, fachgerechter Baumschnitt und Nachpflanzungen sind dringend notwendig. Mangel an personellen und
finanziellen Ressourcen führen zur Vernachlässigung der Streuobstwiesenpflege. Insbesondere die vergangen drei sehr trockenen Frühjahre/Sommer haben den Flächen und Bäumen, insbesondere den Kirschen, sehr zugesetzt, viele sind abgängig.
Die Idee Streuobstwiesen in Wert zu setzen, Akteure zu vernetzen und Ehrenamtliche ins Boot zu holen existiert bereits eine längere Zeit. Aus diesem Grund hat die Stadt Wernigerode engagierte Bürger bei der Gründung eines Streuobstwiesenvereins unterstützt (Gründung 4.10.2020, www.nordharzer–streuobstwiesen.de). Einige der Akteure verfügen über großes Fachwissen in diesem Bereich, da sie bereits seit vielen Jahren Streuobstwiesen pflegen, das Obst nachhaltig nutzen und teilweise vermarkten. Eine finanzielle Förderung kann der Stadt nun die Chance geben, dieses Wissen und die Erfahrungen zusammenzuführen, systematisch zu nutzen und gezielt im Rahmen von Projekten umzusetzen.
So können kommunale Aktivitäten gestärkt/unterstützt und das Engagement auf weitere Schultern verteilt werden. Flächen können zudem fachgerecht entwickelt und gepflegt, eine stabile Regionalvermarktung etabliert und eine Umweltbildung insbesondere mit Schulen und Kitas, aber auch für Erwachsene, gefördert werden. Hierfür sollen im Verein zwei Personen als Streuobstpädagogen (bei Streuobst Pädagogen BNE e.V, www.streuobst–paedagogen.de)ausgebildet werden. Im Wernigeröder Bürgerpark wird das Thema exemplarisch auf der Fläche (Obstbäume, Infotafeln) und im Grünen Klassenzimmer in der Umweltbildung aufgegriffen.
Kooperationen sind auch mit der örtlichen Gastronomie und dem Einzelhandel vorgesehen. Über den Studiengang Tourismusmanagement wird auch die Hochschule Harz mit ins Boot geholt.